Berlinman 2016 - Engelchen und Teufelchen im direkten Duell

von Patrick Kolei Kommentare Vorschau

Um 05:00 Uhr klingelte für Hannah, Carsten und mich der Wecker. Da war er wieder, dieser Moment, in dem ich mich fragte: "Warum tust Du Dir das eigentlich an?" Ich bin ein bekennender Langschläfer und hatte somit auch an diesem Wettkampf-Morgen so meine Probleme von der Klappcouch zu kommen. Da meldeten sich mein Engelchen und Teufelchen das erste Mal an diesem Tag. Diese beiden sollten mich heute wieder den ganzen Tag begleiten, so dass ich ihnen in diesem Wettkampfbericht etwas mehr Aufmerksamkeit schenken möchte. Wie es für mich lief, was die beiden mir ständig zuflüsterten und warum ich mir das alles am Ende doch wieder gerne angetan habe, lest ihr in diesem Bericht.

Teufelchen: "Um 05:00 Uhr aufstehen um Dich den ganzen Tag zu quälen?"
Engelchen: "Denk an den Spaß, die Freude und den Zieleinlauf beim Wettkampf!"

Da ich mir an diesem Morgen mein morgendliches Wettkampf-Mimimi etwas teilen konnte, saß ich kurze Zeit später auch fertig angezogen und etwas besser gelaunt am Frühstückstisch. Natürlich tat ich mich auch an diesem Morgen schwer etwas in den Magen zu bekommen. Zwei Toasts schaffte ich dann aber irgendwie trotzdem. Kurze Zeit später, nach dem Aufkleben der Startnummern und dem letzten Check des Triathlonequipments, saßen wir bereits im Auto. Die Anfahrt war problemlos und ein Parkplatz erstaunlich schnell gefunden. Es war 06:50 Uhr. Wir machten uns mit Fahrrädern und dem üblichen Gepäck auf den Weg in die Wechselzone. Eine Umstellung für mich, hatte ich doch bei allen Triathlons in diesem Jahr meinen Bike Check-In bereits am Vortag erledigen können. Auch die Tatsache, dass ich nun meine kompletten Wechselklamotten wieder am Bike deponieren musste, es generell nur eine Wechselzone gab und auch kein Zelt für das Umziehen bereitstand, war wieder eine Umstellung. Wie schnell gewöhnt man sich an solche Gegebenheiten. Persönlich komme ich mit beidem ganz gut zurecht, allerdings breiten viele Athletinnen und Athleten so viele Sachen neben dem Bike aus, dass ich mir solch eine Regelung auch für kleine Veranstaltungen gut vorstellen könnte.

Teufelchen: "Jetzt noch im Bett liegen, danach die Couch, Pizza bestellen. Das Leben könnte so schön sein!"
Engelchen: "Leistung zeigen, der Applaus der Zuschauer, Gänsehaut beim Zieleinlauf. Das Sportlerleben ist einfach super."

Während sich Engelchen und Teufelchen schon mal für den Tag in Stellung brachten und bisher noch recht freundlich miteinander umgingen, machte ich mich auf den Weg zum Wannsee. Dort war um diese Zeit noch alles ruhig. Die Bojen der Schwimmstrecke wurde gerade erst aufgebaut und es lag eine kribbelnde Ruhe über dem Strand. Ich machte ein paar Videos für meine Instagram Stories, hörte etwas Musik und prägte mir wieder den Weg vom Wasser in die Wechselzone bis zu meinem Platz ein. Inwiefern mich die Stufen in die Wechselzone belasten würden, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nur schwer einschätzen. Es waren noch ca. 30 Minuten bis zum meinem Start, noch ca. 15 Minuten bis zum Start der ersten Startwelle. Ich schlüpfte in den unteren Teil meines Neoprenanzugs und machte mich wieder auf den Weg zum Schwimmstart. Nun waren schon mehr Zuschauer versammelt und fieberten dem Start des Berlinman 2016 entgegen. Aus irgendwelchen Gründen war nun auch bei mir die Nervosität angekommen, die ich morgens noch durch Gespräche mit Hannah und Carsten gekonnt ignorieren konnte. Carsten war bereits im Wasser, startete eine Startwelle vor mir und als der Startschuss für ihn fiel, war ich irgendwie auch schon komplett im Wettkampfmodus angekommen.

Teufelchen: "Du musstest Dir auch unbedingt nochmal eine MD aussuchen. Hätte eine OD nicht auch gereicht?"
Engelchen: "Stell Dir vor Du machst heute einen Longrun. Vorher schwimmst und radelst Du noch und bist dabei nicht alleine!"

Jetzt gingen mir die beiden schon das erste Mal auf die Nerven. Doch ich befand mich plötzlich im Wasser. In der ersten Reihe und versuchte durch die aufgehende Sonne die Boje auf meiner linke Seite zu erkennen. Vergebens. Ich lauschte den Ansagen des Kampfrichters und hörte dann auch meinen Startschuss.

2,2 km Schwimmen

Die Brille saß, der Schwimmanzug füllte sich etwas mit Wasser und ich fand sehr schnell meine optimale Wasserlage. 400-500 Meter benötige ich normalerweise um in meinen Rhythmus zu finden. Nicht so an diesem Tag. Ich war bereits nach wenigen Metern in meinem „Tunnel“, hatte freie Sicht nach vorne und mein Körper fühlte sich prächtig an. Vielleicht lag es wirklich daran, dass ich mir keine Ziele gesetzt hatte und alle Disziplinen einfach locker angehen wollte. So verschaffte ich mir regelmäßig meinen Überblick nach vorne und war wirklich überrascht wie viel Platz ich hatte. Rechts und links sah ich bei der Atmung aber auch immer wieder andere Schwimmer und machte mir auch keine Sorgen eventuell in die falsche Richtung zu schwimmen. Außerdem hatte ich vom Start weg die erste Boje fest im Blick und versuchte meine gerade Linie darauf zu halten.

Dieses gelang mir gut, so dass ich problemlos und locker diese erste erreichte. Auf dem Weg zur zweiten und somit Wendeboje, bemerkte ich plötzlich die ersten Schwimmer mit einer roten Badekappe. Diese sind fünf Minuten vor mir gestartet. Ich hatte eine weiße Badekappe in meinem Startblock zugewiesen bekommen. Natürlich absolvierten auch wieder einige Teilnehmer an diesem Tag die Strecke komplett im Bruststil. Ich hielt mich unterdessen auf der rechten Seite, diese erschien mir als die Ideallinie und zudem sah ich hier die wenigsten Arme und Beine. Die nächste Boje zu sehen war fast unmöglich, denn nun musste ich die komplette Länge bis zum Start zurück und nochmal ca. 500 Meter weiter bis zur weiteren Wende. Hier schwamm ich stellenweise vollkommen alleine, so dass sich meine beiden Stimmen wieder einmal meldeten.

Teufelchen: "Fühlt sich an als wärst Du in Führung. Gib nochmal ordentlich Gas!"
Engelchen: "Mach Dich doch bitte nicht lächerlich. Bleib mal schön ruhig."

Ich schmunzelte leise in mich hinein. Schüttelte die beiden fürs erste wieder von der Schulter und zog weiter meine Züge. Dabei achtete ich auch wieder auf die Technik, um die Kraft bis zum Ende einteilen zu können. Ein Nachteil beim Schwimmen: Man hat nur das Schwimmgefühl und muss sich auf dieses verlassen. Eine Kontrolle der Pace ist ohne Aufgabe des Rhythmus und Blick auf die Uhr unmöglich. Das brauchte ich an diesem Tag auch nicht, denn nach erfolgreicher zweiten Wende und erreichen der Startboje steuerte ich zielgenau auf den Ausstiegsbogen zu. Nachdem ich die Füße auf den bereits sichtbaren Boden des Strandes setzte, der Blick auf die Uhr. Ich erkannte 33:xx. Wow, das wäre eine starke Hausnummer. Auf dem Weg nach oben, über die 98 Stufen, sehe ich Hannah auf der linken Seite. Sie wirkte überrascht und kramte schnell die Kamera raus. Dann pfefferte sie mir den Spruch des Tages entgegen: „Alter, wie schnell bist Du denn?“. Ich lachte und spürte die Stufen unter mir nicht mehr. Ich hatte eine tolle Zeit hingelegt, jetzt freute ich mich sichtlich auf das Radfahren.

Engelchen: "Ist das jetzt eigentlich dieses locker von dem Du gesprochen hast?"
Teufelchen: "Er ist im Wettkampfmodus und ein Stier kämpft und gibt alles!"

90 km Radfahren

Den Weg zum Rad hatte ich mir gut eingeprägt. Doch hatte ich morgens wohl die ein oder andere Wurzel übersehen. Ein plötzlicher Schmerz im rechten Fuß lies mich kurz humpeln. Als ich am Bike angekommen war, entschied ich mich den Schaden am vorderen Fußballen nicht anzusehen und schlüpfte direkt in meine Kompressionssocken. Während des Rennens hatte ich mit der Wunde auch keinerlei Probleme, erst nach dem Rennen bemerkte ich, dass ich mir tatsächlich eine tiefere Risswunde zugezogen hatte. Adrenalin verhinderte wohl das übrige. Als ich auf dem Rennrad saß, versuchte ich mich schnell wieder an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Auf den ersten Kilometern verputze ich daher wieder einen Riegel und ein Gel und die Ernährungsversorgung ging seinen gewohnten Gang. Hier hatte ich nun bei meinem fünften Triathlon schon eine gewisse Routine.

Mit mir waren wieder einige gute Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Strecke und immer wieder versuchte ich meine Geschwindigkeit zu kontrollieren und mich nicht von anderen verleiten zu lassen zu schnell zu fahren. Auf den ersten beiden Runden gelang mir das auch außerordentlich gut, so dass ich auch bis zum Schluss die 33 km/h halten konnte. Die Beine machten keine Probleme und so absolvierte ich auch die dritte Runde problemlos. Plötzlich hatte ich Din (Gründerin von www.eiswuerfelimschuh.de) vor mir und wir quatschten ein paar Meter und wünschten uns für das restliche Rennen viel Glück. Auch bei ihr lief es an diesem Tag sehr gut (sie erreichte am Ende eine Zeit von 05:27:25).

Teufelchen: "Du machst es mir heute aber auch wieder verdammt schwer. Nichts zu meckern, keine Schwierigkeiten und keine Aussicht auf DNF."
Engelchen: "Er macht es eben auch ganz locker und ist nun froh heute so früh aufgestanden zu sein."

Die letzte Runde war ebenfalls schnell im Sack und plötzlich befand ich mich schon wieder in der Wechselzone. "Leider" hatte ich Carsten seit seinem Start nicht mehr gesehen. Wäre zu diesem Zeitpunkt aber auch verwunderlich gewesen, sonst wäre er auf der Radstrecke wesentlich langsamer unterwegs gewesen als geplant. Also lief es augenscheinlich auch bei ihm.

20 km Laufen

Vor lauter Bäumen sah ich plötzlich den Wald nicht. Bedeutet: Ich fand meine Reihe mit meinem Stellplatz nicht. Natürlich wusste ich meine Startnummer. Doch in der Hektik lief ich zweimal falsch. Bis mir mein oranges Handtuch auf dem Boden ins Auge fiel und ich schnell in meine Laufschuhe und Laufkappe wechseln konnte.

Auf der Laufstrecke spürte ich schnell, dass ich mir genug Kraftreserven aufgespart hatte, aber auch hier nichts riskieren wollte. Die erste Runde wollte ich ohnehin nicht Vollgas gehen, da ich erstens die Strecke nicht kannte und zudem die Hitze immer weiter zunahm. Merklich ruhig geworden, versuchten die beiden auf den Schultern nochmal alles aus sich herauszuholen.

Teufelchen: "Jetzt hau mal richtig einen raus, das wird von Dir schließlich auch erwartet."
Engelchen: "Du wolltest Deinen Spaß, Du hast Deinen Spaß! Bisher alles top, genauso machen wir jetzt auch weiter."

Die erste Runde war schnell erledigt. Ich kannte nun die lange Strecke in der Sonne entlang der Radstrecke und auch die tückischen Wurzeln in den verschiedenen Abschnitten im Wald. An jeder Versorgungsstelle schüttete ich mir etwas Wasser über den Kopf und trank einen kleinen Schluck Cola oder Iso. Eine gute Kombination, welche ich mir hier für diesen Tag zurechtgelegt hatte und so auch bis zum Ende durchhielt. Bei dem ein oder anderen Wettkampf in diesem Jahr hatte ich eventuell etwas viel getrunken und das Blubbern im Magen wollte ich diesmal unbedingt vermeiden. Wie gewohnt, wenn ich Runden laufe, tat ich mich bei der vorletzten Runde am schwersten. Dieses war an diesem Tag wieder die dritte Runde. Bereits zwei in den Beinen, noch eine zu absolvieren. Mental bei mir nicht unbedingt förderlich., so witterte auch mein Teufelchen seine Chance: "Nimm raus, Du möchtest doch bis zum Ende durchhalten. Eine kleine Gehpause wäre jetzt sicherlich auch nicht schlecht." Das Engelchen hatte es an diesem Tag dann doch einfacher: "Braucht er nicht, er läuft heute wieder komplett durch."

Während ich so wieder mit meinen Gedanken experimentierte, baute ich schon den ein oder anderen Satz für den Bericht auf meinem Blog zusammen. Wie meinte Hannah später noch zu mir "ist doch super, so bringst Du Dich auch auf andere Gedanken". Stimmt. Keinen von mir hier verwendeten Satz hatte ich allerdings in irgendeiner Form während des Wettkampfes vorformuliert. Eine gelungene Abwechslung war es aber trotzdem, so dass ich plötzlich auch meinen letzten und somit vierten Armreifen für die absolvierte Rundenanzahl erhielt und rechts in Richtung Ziel abbiegen durfte. Ich hörte die Zuschauer, sah die letzten ca. 400 Meter den langen Weg entlang und realisierte dann, dass ich gerade dabei war meine dritte Mitteldistanz für dieses Jahr zu finishen. Herrlich. Das ging schneller vorbei als im Kraichgau und auch am Chiemsee, wo ich mich auf der Laufstrecke etwas schwerer tat. Mit einem Sprung überquerte ich die Ziellinie und wurde vom überraschten Moderator, wohl meiner noch vorhandenen Kraft, empfangen. Nach einem Blick auf die Ergebnisse konnte ich für mich folgende Splitzeiten ablesen:

2,2 km Schwimmen: 00:35:51 (74.)
90 km Radfahren: 02:43:12 (230.)
20 km Laufen: 01:41:06 (132.)

Somit konnte ich mit einer Zeit von 05:00:09 den 148. Platz von insgesamt 561 Athletinnen und Athleten erreichen.

Ich machte mich nach einer kurzen Erholung auf den Weg zum letzten Wendepunkt der Strecke. Nachdem ich Hannah nicht erreichen konnte, wollte ich dort Carsten unbedingt abfangen um ihn für die letzten Meter nochmal ordentlich zu pushen. Ich musste gar nicht lange warten, da bog er bereits um die letzte Kurve. Ein Stück begleitete ich ihn laufend, bevor er dann selber als Finisher die Ziellinie überquerte und sich mit einem versöhnlichen Wettkampf von der diesjährigen Triathlonsaison verabschieden durfte. Er erreichte eine Zeit von 05:32:36. 

Fazit

Während des Wettkampfes fühlte ich mich sehr wohl. Nicht unbedingt nur wegen meiner zu diesem Zeitpunkt sehr gutem Fitnesszustandes, sondern weil die ganze Veranstaltung einfach richtig richtig gut war. Die Organisation, die Helfer und auch die Strecken an sich sind sehr zu empfehlen. Ein bisschen schade, dass dieser nur alle zwei Jahre veranstaltet wird. Auch wenn Berlin für mich über 600 km und somit mehr als 5 Stunden auf der Autobahn bedeuteten, ich bin sehr glücklich diese Tour in Angriff genommen zu haben.

Mit Hannah und Carsten habe ich zudem zwei wirklich gute Freunde in Berlin gefunden, welche mich immer herzlich aufnehmen und sicherlich für weitere tolle Veranstaltungen in Berlin von mir aufgesucht werden.

Auch wenn meine Familie an diesem Tag leider nicht an der Strecke sein konnte, so fieberten alle Freunde und Bekannte wieder zu Hause mit und schickten mir viel Kraft und Motivation. Vielen Dank!

Video

Das erste Mal nutzte ich bei einem Wettkampf die Instagram Stories. Diese kleinen 10 Sekunden Stückchen habe ich in diesem Video zusammen gefasst. Sie zeigen mich vor und nach dem Wettkampf und geben einen kleinen Einblick von einer wirklich tollen Veranstaltung!

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